Sonntag, 16. November 2014

kälte


Sie saß ihm gegenüber. Er schaute sie mit seinen tiefblauen Augen direkt an. Sie konnte seinem eindringlichen Blick nicht standhalten und so senkte sie den Kopf, sodass sie auf dem Boden schaute. Eine ganze Weile betrachtete sie, den mit geschmolzen Schnee bedeckten Boden, als ob dieser interessanter als alles andere auf der Welt wäre, denn sie spürte die Blicke von ihm. Sie wagt es ihren Blick wieder aufzurichten, nur um ihn gleich wieder zu senken, denn ein Summen aus ihrer Jackentasche verkündete eine Nachricht auf ihrem Handy. Sie fummelte ihr Handy aus der Jackentasche. Als sie es jetzt ohne Handschuhe in die Hand nahm, musste sie feststellen, wie kalt es war. Schnell tippte sie eine Antwort auf die Frage, wie es ihr gehen würde. Sie schrieb, dass es ihr gut ging und das alles in bester Ordnung wäre. Doch das war gelogen. Sie hatte das Gefühl, die Welt würde über ihrem Kopf immer weiter zusammenbrechen und sie ganz langsam erdrücken. Auch rief sie verzweifelt nach Hilfe, aber der Druck auf ihrer Brust war so stark, dass er ihre Stimmbänder zusammen zu drücken schien. Sie schaute auf und musste feststellen, dass der Platz ihr gegenüber leer war und er ausgestiegen war. Jetzt sah sie bloß ihre knochige und blasse Gestallt die sich im dunklen Fenster spiegelte. Als der Zug wieder hielt zog sie sich die Kapuze noch tiefer ins Gesicht und verschwand in die kalte Winternacht. Für immer.

-Lily

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